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Ahnenlinien Ich sitze unter der alten, mächtigen Linde. Die Erde unter ihr, ein Teppich aus braunen, gelben und grauen Blättern so trocken , dass sich jedes Blatt krümmt und biegt, unter meinen Schritten wie altes Papier raschelt. Der Holztisch mit den fünf Stühlen leer geträumt. Nur der Spätsommer erzählt noch etwas vage: von den letzten Partygästen, dem Gläserklirren, von Gesprächsfetzen, den vielen Weinflaschen, Brotkrumen für die Spatzen, die unbemerkt wie die Mücken mitfeierten und von einem Mond, der der im Verborgenen still lauscht. Und so sehe ich noch die bunten Hüte, die vertrauten Gesten einer kleinen Freundesgruppe, höre zwischen den grünen Lindenblättern ihr Lachen, ihr Flüstern in lauer Nacht. Mich erfasst die Herbst-kühle. Sanft aber bestimmt, verweist der Herbst die Sommerträume, die Liebeleien, die dünnen Sommerkleider der Frauen mit unsichtbarer Kraft und schattiger Strenge. Verweist sie des Ortes, des Platzes. Fordert den ihren ein. Und so umringt der Zaun mit feuchten Herbstfarben, das Haus, das Innere mit gedämpften Farben, dazwischen all die Rottöne. Eine Vertrautheit des Vergehens, des Welkens liegt mit seinem süßlich-herben Duft in der Luft. Der Wildwuchs des Sommers wird still. Ich blicke zu den Obstbäumen hinter dem alten pfälzischen Bauernhaus. Die Erde hält ihre Hände auf, feuchter Boden empfängt die Klänge, die roten Äpfel, die gelb-grünen Birnen. Vom Haus her erklingt Klaviermusik. Eingehüllt und dösend, überfallen mich Bilder an das schlichte Landleben unserer Ahnen, unserer Großmütter, Erinnerungen, die nicht nur meine sind: Die gute Stube ist durchtränkt von ihrem Schweiß, ihrer Ernte, ihren Schwielen an den Händen, ihren Tränen. Gottes ehrfürchtig eingefügt ihr Frau-sein in die Gittermuster der Männerwelt, - damals: Sie hatten ihre Hausgeburten, ihre Ammen, ihre Kinder, ihren Wäschetrog. Und einige Frauen trugen Sandmasken. Das Brutale schaut von Ferne in diese Zeit. Schandmasken, die Strafe für Waschweiber und ihrem Klatsch und Tratsch, wenn sie Geheimnisse und Vergehen der Männerwelt aufdeckten, Tabus brachen. Schmerzlicher Sprachverlust die Folge, bis heute. Wie an endlosen Wäscheleinen sehe ich ihre Kleider des Lebens. Hochzeits- und Taufentuch, Kleider des Gebärens, Leidens und Sterbens. Aus Sack und Linnen, Samt und Seide eher selten. Nur den Reichen vergönnt, aber auch diese voller Frauenleiden. Alles wurde irgendwann gereinigt, gesäubert vom Dreck des Lebens, musste getrocknet werden und erzählte dem Wind der Zeit ihre Frauengeschichten, die keiner hörte. In meiner DNA gibt es Schubladen, Regale, Wäscheschränke, die über Familienbande und Ahnen- Linien nach und nach befüllt wurden. Von den Ur-Ur-Urgroßmüttern, Großmüttern, Tanten hin zur eigenen Mutter, die mit der Geburt des Kindes das ihrige an uns weitergaben. Heute fangen die Frauen an, auszulüften. Die Kleidungsstücke erstaunt, verstört oder liebevoll anzuschauen, noch mal in den Wind der Vergangenheit zu halten, um Spuren zu entdecken, die die Zeit nicht reinwaschen konnte. Anschauen, zuhören, weglegen oder liebevoll in das eigene Lebensregal hängen, ihr, unser Tun. Das geschieht in unserer Zeit, in unserem Land immer mehr. Dabei erkennen wir auch ähnliche Muster in den Kleidungs- und Wäschestücken anderer Kulturen. Doch das ist eine andere Geschichte. Denn nicht alle Kulturen trocken ihre Kleidung an den Wäscheleinen im Wind. Anneke Polenski 28.09.2025 Limbergen/Münsterland Instagramm: polenski.creative www.flying-dolphins.de

Wir haben täglich die Wahl: glauben wir, was wir denken? Gehen wir achtsam mit unseren Gefühlen um und geben wir ihnen den Raum, sie wirklich zu fühlen? Wenn wir die Verantwortung für unsere Gefühle übernehmen, liegt darin der Samen unserer Freiheit, unserer Liebe, unseres Lichtes. So kann Selbstermächtigung und Selbstliebe wachsen. Ich spreche zu mir selbst, während ich dies schreibe – dies ist ein Satz von Patrick Connor, der mir Inspiration für diese Zeilen ist. In meiner persönlichen Erfahrung, war ein Teil des Prozesses, zu erleben, wie ich hineinfalle in meine Gefühle und gleichzeitig mich nicht wahrnehmen will, mich umgehen will, wenn es negative Gefühle sind. Leben ist Wandel. Mein Körper trägt so viele Geschichten, Prägungen, Gefühle -persönlich, kollektiv, über viele Generationen und mein Verstand konstruiert und sichert. Ich bin von allem ein Teil, verbunden in mir, mit mir und mit allem. Indem wir das, was in uns ist, ehren, annehmen, den Herausforderungen in unserem Leben begegnen und lernen, uns nicht zu verurteilen, freundlich mit uns selber sind, können wir immer mehr in die Präsenz des Augenblicks finden. Wir verfeinern unser Leben, unsere Energien, unseren Umgang miteinander. Die Kritik am Anderen, an der Welt, die negative Beurteilung beginnt, wenn wir uns selbst nicht wahrnehmen, uns nicht akzeptieren, uns nicht zum Ausdruck bringen. Wenn dies geschieht ist unsere zweite Reaktion eine Kritik am anderen- ich werde zum Opfer. Erst in der Verantwortung für meine eigenen Gefühle, mit der Verknüpfung zu vergangenen Gefühlen und Erinnerungen, finde ich in die Präsenz. Die Energien des Wandels in unserer heutigen Zeit laden uns ein, genau hinzuschauen: was lasse ich los, was ruft mich, was findet mich. Thich Nhat Hanh, ein vietnamesischer Zen- Meister, erinnert uns daran, die „guten Samen“ in uns zu nähren, – Mitgefühl, Achtsamkeit und Frieden – und die anderen nicht weiter zu beachten. Es ist ein immer wiederkehrender Prozess: zurückzukehren zur eigenen Praxis, zur Stille, zur inneren Disziplin, zum Kontakt mit uns selbst und dann Momente der Gnade zu erleben, des Lichts, der Liebe, wenn wir verbunden sind. In dieser Verbindung liegt die Kraft, inmitten des Wandels Halt zu finden – und bewusst mitzugestalten.

Zur Inspiration einen Text von Hannah Arendt; Auszug aus: Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten – Rede über Lessing- 28.09.1959 „.. Es geht um die Frage, wie viel Wirklichkeit auch in einer unmenschlich gewordenen Welt festgehalten werden muss, um Menschlichkeit nicht zu einer Phrase oder einem anderen Phantom werden zu lassen. Oder anders gewendet, wie weit man der Welt auch dann noch verpflichtet bleibt, wenn man aus ihr verjagt oder sich aus ihr zurückgezogen hat. Denn ich möchte natürlich keineswegs behaupten, dass die innere Emigration, die Flucht aus der Welt in die Verborgenheit, aus der Öffentlichkeit in die Anonymität ……in vielen Fällen sogar die einzig mögliche Haltung gewesen ist. Die Weltflucht in den finsteren Zeiten der Ohnmacht ist immer zu rechtfertigen, solange die Wirklichkeit nicht ignoriert wird, sondern… das, wovor man flieht, in der ständigen Präsenz gehalten wird. Wo Menschen sich so verhalten, kann auch das Private eine zwar immer noch ohnmächtige, aber keineswegs belanglose Wirklichkeit erhalten… …Man muss wissen, dass man sich ständig auf der Flucht befindet und das die Flucht die Wirklichkeit ist, in der die Welt sich meldet. So stammt denn auch die eigentliche Kraft der Weltflucht aus der Verfolgung und die persönliche Stärke der Fliehenden wächst, je größer Verfolgung und Gefahr werden. Dabei darf man aber die Grenze der politischen Bedeutung einer solchen Existenz…nicht übersehen. Die Grenze liegt darin, dass Kraft und Macht nicht dasselbe sind, dass Macht nur dort entsteht, wo Menschen zusammen handeln, aber nicht, wo Menschen als einzelne stärker werden. Keine Stärke ist je groß genug, um Macht ersetzen zu können; wo Stärke mit Macht konfrontiert ist, wird sie immer erliegen. Aber auch die Kraft, zu fliehen und in der Flucht zu widerstehen…kann sich nicht bilden, wo die Wirklichkeit übersprungen oder vergessen wird- sei es, dass man sich selbst für zu gut und edel hält, um mit einer solchen Welt überhaupt konfrontiert zu werden, oder dass man das schlechterdings Negative der gerade herrschenden Weltumstände nicht aushält. So anziehend es sein mag, solchen Versuchungen nachzugeben und sich in dem Asyl des Inneren häuslich einzurichten- und wer wäre nicht versucht gewesen, das unter anderem auch unerträglich dumme Geschwätz der Nazis einfach zu überhören?-, das Resultat wird immer sein, dass man die Menschlichkeit mit der Wirklichkeit wie das Kind mit dem Bade ausschüttet…“

Ein Thema, das mich seit dem Frühling beschäftigt ist der Unterschied zwischen Empathie und Mitgefühl und was das für unser Leben bedeuten kann. Fragen, wie wir in unserem Leben auf Situationen, auf Schmerz, Leid, Aggressionen von anderen reagieren, welche Haltung wir den weltweiten Geschehnissen gegenüber einnehmen können und wie wir mit Gefühlen des sozialen Rückzugs und der Überforderung umgehen können. Die Forschungen der sozialen Neurowissenschaften der letzten Jahrzehnte (siehe Prof. Tania Singer – Website) definieren Empathie als die Resonanzfähigkeit eines Menschen, die Fähigkeit z.B. Schmerz eines anderen Lebewesens emotional mitzuempfinden. Es aktiviert in unserem Gehirn bestimmte neuronale Netzwerke und wir erleben die Gefühle eines anderen (z.B. Schmerz, ebenso Freude, Trauma. Aggressionen). Wir sind in Resonanz. Mitgefühl hingegen aktiviert angesichts einer leidvollen Befindlichkeit eines anderen Lebewesens eine Motivation aktiv zu werden, helfen zu wollen, ist eine Herzöffnung, in unserem Care System verankert, mit warmen Gefühlen verbunden. Mitgefühl aktiviert andere neuronale Netzwerke in unserem Gehirn. Unsere erste empathische Reaktion erfolgt meist unmittelbar und direkt. Es ist wichtig zu wissen und oft auch erlebbar, dass wir empathischen Stress entwickeln, wenn wir mit zu viel Leid konfrontiert sind. Es bedeutet, dass wir die Distanz verlieren und es zu unserem Leid, zu unseren Stress wird. Empathischer Stress führt zu Stresserkrankungen, zu Burnout und Depressionen. Ebenso können wir auch aufgrund von Vorurteilen, Meinungen Distanz unsere Empathie nur auf bestimmte Gruppen, Menschen Lebewesen richten und andere ausschließen. Eine gesündere und auch sinnvollere Reaktion ist, von der Empathie ins Mitgefühl zu wechseln. Mitgefühl erschöpft uns nicht, im Gegenteil es nährt uns, ist resilient, hält uns gesund und wir vermeiden konflikthaftes Verhalten. Wenn wir empathischen Stress entwickeln, ist das Selbstmitgefühl der erste Schritt. In einer großen Studie mit 300 Berlinerinnen konnte belegt werden, dass die Gehirnsubstanz der Teilnehmerinnen in den Arealen, die für Mitgefühl verantwortlich sind, gewachsen ist, nachdem sie täglich Übungen zur Achtsamkeit, zur Präsenz, Übungen zur kognitiven Perspektivübernahme und Übungen zur Herzöffnung über 9 Monate gemacht haben. Wir sind in sehr dynamischen Zeiten und eine Verbindung im Mitgefühl ist ein Friedensakt, eine Haltung und eine Ausrichtung, die für uns selber nährend ist und uns miteinander in Kontakt bringt.
